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„Man bringt sich um die großartige Möglichkeit die Welt vom Wasser aus kennenzulernen“ 

Wigald Boning hält die nachlassende Schwimmfähigkeit für einen „dramatischen Kulturverfall“.

Seit mehr als 1,5 Jahren steigt Wigald Boning jeden Tag ins Wasser und hat darüber einen Bestseller geschrieben („Herr Boning geht baden: Ein Jahr, 365 Badetage und was ich dabei über Schwimmen, Leben und tolle Hechte lernte“, GRÄFE UND UNZER Edition, 2023). In einem Interview mit der Deutschen Schwimmjugend berichtete er von seinen Erlebnissen in dieser Zeit und der Bedeutung, die das Schwimmen (für ihn) hat.

Angefangen hatte alles mit dem Umzug an den bayerischen Ammersee und Schmerzen in der Schulter, die er mit Schwimmen therapieren wollte. „Nach einiger Zeit beschloss ich jeden Tag schwimmen zu gehen, weil ich mit „Streaks“ (Anmerkung: tägliche Übungseinheiten) auch in den Bereichen Laufen und Fahrradfahren schon so meine Erfahrungen hatte, da dachte ich mir `Das ist eine gute Sache´, da muss man nämlich nicht mehr darüber nachzudenken, ob man heute schwimmen geht oder nicht. Wenn man jeden Tag schwimmt, ist diese Frage schon mal Ein für alle Mal geklärt. Wie ich es im Winter machen würde, darüber hatte ich noch gar nicht groß nachgedacht, und als der Winter kam und ich feststellte `Es gibt gar kein Schwimmbad in der Nähe, in das ich gehen könnte´, war ich schon so im Tunnel, dass ich gezwungen war, im Winter im Ammersee schwimmen zu gehen. Dann war der Winter einigermaßen glimpflich überstanden, ein Jahr kriegte ich auch rum und bis heute hat es einfach keinen Grund gegeben aufzuhören“.

Angesprochen auf sein bestes Erlebnis in dieser Zeit des täglichen Badens berichtet er vom Tag der Krönung von König Charles III in London „Morgens um 7 Uhr vor der Arbeit als RTL-Reporter, ein Gewässer aufzutreiben, gar nicht so leicht, zumal alle Parks polizeilich abgesperrt waren. Es blieb nur die Themse in der Innenstadt. Dort standen aber auch alle 50m an beiden Ufern jeweils zwei schwer bewaffnete Polizisten, die aufpassen sollten, dass nicht vom Wasser aus irgendwelche terroristische Gefahren drohen. Aber ich habe es tatsächlich geschafft, in dem meine Managerin eines dieser Polizistenpaare ablenkte und nach den Presseakkreditierungscontainern fragte, ich zog mich blitzschnell aus, huschte eine Treppe ins Wasser hinab, drehte um und war wieder oben. Das war bis heute das spektakulärste Erlebnis. Allein, dass man reingekommen ist, war schon ein Husarenstück“.

Nach nunmehr fast zwei Jahren hat er auch die verschiedenen Jahreszeiten bereits zum zweiten Mal durchlaufen und findet: „Jede Jahreszeit hat da so ihren eigenen Reiz. Im Winter durch den Schnee zu stapfen bis man am Gewässer angekommen ist, das ist bereits spannend. Sich dann da auszuziehen oder mit den Füßen festzukleben am Boden, was mir auch immer wieder mal passiert, kann befremdlich, aber auch lustig sein. Das Bad mit einer Gruppe hat ja überdies auch eine soziale Komponente. Den Tee aus der Thermoskanne zu verschütten, weil man so stark zittern muss, das ist sehr lustig. Das kann ich wirklich jedem empfehlen“. 

Einen ganz anderen Blick auf die Welt erlebte er auch in einem eigentlich gefrorenen Gewässer: „Unter der Eisdecke stehen, mal 1m zur Seite treten und draufgucken, die Sonne durch die Eisdecke sehen, das ist ein Eindruck, der das Leben bereichern kann. Dazu ist es natürlich wichtig, dass man die Sicherheit allzeit im Auge behält“. Sich selbst bezeichnet er als sicheren Schwimmer, auch wenn er sich „grundsätzlich eher als Landratte“ betrachtet. „Ich kann jetzt nicht verhehlen, dass ich mittlerweile mit dem Wasser auf Du und Du bin. Ich hatte ja schon mal 2014 ein langes Techtelmechtel mit dem Wasser, als ich ein 24h-Schwimmen mitgemacht habe und da recht gut abschloss, so dass ich mir tatsächlich einbildete, ich sei schwimmerisch begabt. Dann bin ich 2014 durch den Bodensee geschwommen. Schön, dass ich angekommen bin. Dass sind 12, 13 km, und ich habe die langsamste jemals auf dieser Strecke offiziell erzielte Zeit auf meinem Konto. Die Fachpresse nannte mich dann den „Weltmeister im Langsamschwimmen“, ein Titel auf den ich ziemlich stolz bin. Ich bin zwar ein eher langsamer aber ein sicherer Schwimmer und ich habe natürlich auch in den letzten 1,5 Jahren gelernt, genau einzuschätzen, was machbar ist und was nicht. Und das ist eine wichtige Fähigkeit. Zum Beispiel wenn man einen unbekannten Fluss vor sich hat, dann zu wissen, wie stark ist die Strömung hier tatsächlich. Ich habe mich ein paar Mal leicht versehen, aber Gott sei Dank endete das nie in gefährlicher Dramatik.“

Auch auf die Schwimmfähigkeit seiner Kinder legt er größten Wert. So ist er auch kurzentschlossen, nachdem sein Sohn Theo den Schwimmkurs aufgrund von Krankheit abbrechen musste, selbst in die Schwimmlehrer-Rolle geschlüpft: „Wir wohnen hier unweit des Ammersees. Wenn man hier wohnt und die Kinder können nicht schwimmen, ist es sehr gefährlich.“  Und sein Einsatz war erfolgreich „Theo ist ausgesprochen begeistert, den würde ich mal bei den Wasserratten einsortieren und er genießt es sehr, dass er hier direkt ein Wasser in der Nähe hat.“ Tochter Mathilda ist jetzt im Sommer dran und sein jüngster Spross Oscar hat noch ein bisschen Zeit: „Oscar geht mit in die Badewanne. Wasserscheu ist er nicht. Das ist ja schon mal eine gute Grundvoraussetzung“.

An seine eigene Zeit als Schwimmanfänger hat er dabei nicht so gute Erinnerungen: „Ich war ein ausgesprochen dünnes Kind, wog damals unter 20kg, war sehr schnell ausgefroren. Ich erinnere mich vor allen Dingen daran, wie ich mich am Heizkörper in der Schwimmhalle aufwärmen durfte.“ Sein Schwimmabzeichen hat er trotzdem geschafft: „Damals hieß das Freischwimmer, Fahrtenschwimmer, Goldenes Schwimmabzeichen. Ich glaube das war die Reihenfolge in den 70ern. Und der Schwimmkurs endete mit Freischwimmer: 15min Schwimmen, Ringe hochtauchen wahrscheinlich auch.“

Einer besonderen Challenge möchte er sich in diesem Jahr bei den Schwimmabzeichentagen stellen und das Deutsche Rettungsschwimmabzeichen in Bronze absolvieren: „Es ist ja auch in der Tat eine schöne Sache retten zu können. Je mehr Leute das können, desto weniger Opfer gibt es ertrinkungstechnisch.Auch das Abzeichen möchte ich mir schön an die Badehose nähen dürfen. Das ist bei mir schon vermerkt im Kalender.

Damit möchte er auch dazu beitragen, das Thema Schwimmfähigkeit in die Öffentlichkeit zu bringen. Dass nicht alle Kinder heutzutage einen Zugang zum Bewegungsraum Wasser finden können, bezeichnet er als „dramatischen Kulturverfall“: „Man bringt sich um die großartige Möglichkeit die Welt vom Wasser aus kennenzulernen“. 

Dass wir die mangelnde Schwimmfähigkeit so vieler Kinder zulassen, auch verstärkt durch die Pandemie, kann ich beim allerbesten Willen nicht nachvollziehen.“

Er selbst setzt auf die Vorbildfunktion: „Ich schwimme, propagiere den Genuss der Existenz im Wasser und zeige wie einfach es doch ist, tolle Erlebnisse zu haben, die obendrein nichts kosten – wenigstens im Freiwasser. Und das geht nur, wenn man einmal Schwimmen gelernt hat.“

Den Bildungspolitikern, die den Schwimmunterricht in der Schule kürzen oder streichen, empfiehlt er einen Blick in die Geschichtsbücher: „Karl der Große konnte nicht schreiben und lesen, konnte aber Schwimmen. Schwimmen war ihm so wichtig, dass er Aachen als Kaiserpfalz auswählte, weil das dort vorkommende, warme Wasser ganzjähriges Schwimmen ermöglicht. Er ließ ein 50 x 100m Becken anfertigen, in dem er mit seinen Rittern jeden Tag schwimmen ging. Das waren sozusagen die Kabinetts-Sitzungen. Man stelle sich mal vor, ein Bundeskanzler gehe mit seinem Kabinett jeden Tag gemeinsam schwimmen.“

Vielleicht würde das helfen, das Verständnis für einen Schwimmunterricht für möglichst jedes Kind zu stärken: „Je mehr Schwimmunterricht, je mehr man sich Lösungen einfallen lässt, je mehr man Zugänge schafft, möglichst unentgeltlich und niedrigschwellig für Kinder aller Art, desto besser.“

Besser kann man es nicht zusammenfassen und damit spricht er uns aus vollstem Herzen.

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